Na een week van bezinning, besluit Lisa Camino del Norte te lopen en Prairie en ik gaan de Pyreneeën in, de via Frances. De tijd is gekomen dat we voor nu afscheid gaan nemen. Een speciaal moment nemen we in de kerk van Sint Jean op 1 oktober. Daar steken we een kaars voor ons aan. We zingen en houden elkaar stevig vast. Genietend van het moment en het samenzijn. Lisa schrijft voor ons haar verhaal.
Lisa’s verhaal
In Gedanken versunken – einen Fuß vor den anderen setzend – ging ich Meinen Weg. Dankbar für den sonnigen Tag, dankbar für meinen Mut diesen Weg alleine zu gehen und dankbar für die Weggefährten – Carmen und Prairie – durch die viele Schritte ein wenig einfacher und leichter wurden. Da kamen mir Carmens Worte wieder in den Sinn: “Wir sind wie Schwestern des Weges” und mit einer Träne des Glückes spürte ich, dass wir auch Schwestern unserer Herzen sind. Sie ist für mich ein Spiegel, vieles haben wir gemeinsam, denken und fühlen auf ähnliche Art und Weisen. Ich genieße all die Schritte sehr, die wir gemeinsam – und doch jede für sich – in die gleiche Richtung gehen. Nicht Santiago ist für uns das Ziel der Reise, sondern der Weg selbst und all die Erfahrungen die er mit sich bringt. Durch Carmen lerne ich viel über mich selbst, über meine Stärken, meine Schwächen, meine Träume und doch sind wir verschieden, denn jede von uns geht ihren eigenen Weg. Und so kam mir der Gedanke selbst darüber zu schreiben, warum ich auf diese Reise gegangen bin.
Wenn Carmen über die Gründe ihres Aufbruchs und ihrer Reise gefragt wird, antwortet sie mit einer Offenheit und Klarheit, die mich berührt, mich beeindruckt und mir Mut macht. Frei heraus kann sie über ihren Burn-Out und ihre darauf folgenden Depressionen sprechen. Dabei sehe ich eine starke junge Frau vor mir, die den Mut hat ohne Scheu über ihre Probleme öffentlich zu sprechen. Nicht ein Mal habe ich dabei erlebt, dass die Leute schockiert, ablehnend oder in irgendeiner Art und Weise negativ reagiert hätten. Nein, alle reagierten überaus mitfühlend und verständnisvoll. Durch ihre Offenheit ermöglicht sie es auch anderen über Schwierigkeiten zu sprechen, über den Tellerrand zu schauen und über Veränderungen nachzudenken.
Ich habe selbst während meines Studiums eine Gesprächstherapie in Anspruch genommen. Doch ich sprach kaum mit meiner Familie oder meinen Freunden darüber. Ich stand ständig unterschwellig unter Stress und hatte deshalb körperliche Beschwerden, die aber keine konkreten körperlichen Ursachen hatten. Dabei hatte ich weder, was man eine problematische Kindheit nennen würde, noch hatte ich Probleme zu Schul- oder Studienzeiten, hatte gute Noten, habe meinen Eltern nie Probleme bereitet und habe jeden Abschluss, jede Prüfung geschafft. Und dennoch, gab es oft Zeiten in denen es mir nicht gut ging, ich viel weinte und mich klein, schwach und nicht liebenswert gefühlt habe. Ich dachte früher oft, ich wäre nicht gut genug, nicht schön genug und nicht stark genug, um von anderen und mir selbst geliebt zu werden.
Und heute weiß ich, dass das nicht war ist. Ich bin weder eine Heulsuse, noch ein schwacher Mensch. Ich weis, dass ich ein sehr sensitiver Mensch bin und einige Dinge früher und intensiver als andere wahrnehme. Und ganz besonders weis ich heute, dass das nichts mit Schwäche zu tun hat, sondern eine große Qualität für mich darstellt, zu meinem Wesen gehört und ich es nicht missen möchte. Bis heute kann ich mich zwar nicht, mit dem Gefühl mich selbst voll und ganz zu lieben, vor einen Spiegel stellen, aber das ist auch okay. Ich kann das inzwischen akzeptieren und weiß wie wichtig es für mich ist, auf mich selbst acht zu geben, meine eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen und nicht blind die Erwartungen und gesellschaftlichen Normvorstellungen anderer zu erfüllen.
Doch das ist, was ich schon zu Schulzeiten gelernt habe: Den Erwartungen ander und unserer Gesellschaft zu entsprechen und mich dem System anzupassen, auch wenn dieses vielleicht nicht meinem Wesen entspricht. Ich habe gelernt still zu sitzen, gute Noten zu schreiben, ‘normal’ zu sein, habe gelernt, dass wer Fehler macht, schlechter als alle anderen und nicht gut genug ist. Leistungen werden verglichen, hochgehalten und dadurch Druck erzeugt. Aber für meine persönliche Entwicklung hat mir das recht wenig geholfen. Im Gegenteil. Ich habe schon früh gespürt, dass mir einige unserer gesellschaftlichen Prinzipien und Normvorstellungen nicht gut tun. Ich habe mich immer irgendwie anders gefühlt, stand außen, war nie das beliebte Kind und habe darunter gelitten.
Aber wieso hat mir eigentlich niemand beigebracht, in den Spiegel zu schauen und zu mir selbst zu sagen, dass ich stark und schön bin? Wieso musste ich mich immer vergleichen, die anderen als Konkurrenz sehen, besser oder schlechter als der Klassendurchschnitt sein? Ich habe so viele Klausuren und Prüfungen bestehen müssen, aber wer hat mich auf die wirklich wichtigen Prüfung und Entscheidungen des Lebens vorbereitet? Meine Eltern gaben ihr Bestes (!) aber die Gesellschaft und ihr Schulsystem? Warum bringt uns sonst niemand bei, an unsere Träume zu glauben und mutig zu sein?
Warum erklärt uns niemand, dass Alles möglich ist? Den letztlich “müssen” wir nichts, sondern entscheiden uns immer selbst dazu etwas zu tun oder zu lassen, auch wenn das vielen nicht bewusst ist. Wenn wir aus Angst unseren Lebensstandard zu verlieren, behaupten wir ‘müssten’ jeden Morgen einer Arbeit nachgehen, die wir nicht ausstehen können, dann entscheiden wir uns doch selbst dafür das zu tun. Wir haben immer die Wahl, unser Leben aus einer anderen Perspektive zu betrachten, denn möglich ist vieles.
Gelernt habe ich das durch viele Reisen und unterschiedlichste Menschen. Das Reisen war für mich immer eine lehrreiche Zeit, eine Möglichkeit meine Perspektiven zu erweitern und eine Chance mich selbst weiter zu entwickeln. Dadurch habe ich irgendwann begonnen Probleme nicht vordergründig als solche anzusehen, sondern als Herausforderung zu verstehen, aus denen ich lernen kann. Und ich war und bin mutig genug mich den Herausforderungen und Abenteuern meiner Träume zu stellen. Auch wenn mich das gleichzeitig mit meinen Ängsten und Unzulänglichkeiten konfrontiert und mich auch an meine Grenzen bringt.
Als ich das erste Mal aufgebrochen bin, mit 19, um nach dem Abitur für ein Jahr in Ostafrika zu leben und freiwillig zu arbeiten, haben mir viele gesagt wie toll sie das doch selbst finden, sich das ja aber niemals trauen würden. Da ist mir zu, ersten Mal bewusst geworden, wie traurig ich es finde, dass unseren Kinder nicht beigebracht wird, sich ihren Ängsten zu stellen und dabei zuversichtlich an sich selbst zu glauben.
Mir hat sich zum Glück nicht die Frage gestellt, ob ich mich traue als junge Frau alleine auf den Camino zu gehen. Nein, dass wusste ich, denn für mich ist es das Reisen, dass mich lehrt, auf mich selbst und auf meine Intuition zu vertrauen. Mich lehrt, dass ich eine starke junge Frau sein kann und es auch Zeiten geben darf, in denen ich das nicht bin und Hilfe von anderen benötige, weil ich manche Dinge nicht alleine schaffen kann.
Manch einer mag mich vielleicht für naiv oder eine Träumerin halten und vielleicht haben sie dabei Recht. Aber vielleicht bin auch Ich es, die glücklicher, zumindest mutiger ist, als jene die behaupten, dass man etwas nicht kann und nicht tun sollte, nur weil es nicht der Norm entspricht, weil es gefährlich sein könnte oder es meiner Zukunft ‘schaden’ könnte. Denn nur weil es ‘normal’ ist Auto zu fahren, ist es noch längst nicht weniger gefährlich oder weniger schädlich für unsere Natur und damit auch unserer aller Zukunft. Viele scheinen das zu vergessen, nur weil es alle anderen ja auch tun und den gleichen Weg gehen. Ich aber will und werde – einen Fuß vor den anderen setztend – meinen Träumen folgen und meinen eigenen Weg gehen.